Top
Mobilitätswende:Hannovers Innenstadt wird Autofrei

“Mitte neu denken”. Nun liegt er vor, der Plan zur Mobilitätswende in Hannovers Innenstadt. Ziel ist dabei, die Stadt nahezu autofrei zu bekommen. Es sei „…die Gelegenheit für mehr Platz, mehr Grün und mehr Klimafreundlichkeit.“ Wir durften als digitales Stadtmagazin ein exklusives Vorab-Interview mit unserem Oberbürgermeister Belit Onay über das Projekt führen und ihn zu den Zielen, dem Zeitplan, der Umsetzung und zur Sicherheit in Hannover befragen.

Belit Onay betont: Das Konzept bietet Vorteile und Lösungen für alle. Für Geschäftsleute, Bewohner/innen und all jene, die in die City kommen, um eine gute Zeit zu verbringen. Ob nun zum Shoppen, für Kulturevents oder auch zum Feiern und Flanieren.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Hannovers Innenstadt wird nahezu autofrei.
  • Es werden große Umgestaltungen des öffentlichen Raumes vorgenommen (der Bereich zwischen Friedrichswall, Schiffgraben, Hauptbahnhof, Kurt-Schumacher-Straße und Steintor).
  • Vor allem Fußgänger und Radfahrer sollen von dem Projekt profitieren. „(…)kurze, barrierefreie und sichere Wege“.
  • Stellplätze für Autos im öffentlichen Raum sollen weitestgehend wegfallen.
  • An Stellen, wo Räume von verschiedenen Verkehrsteilnehmern genutzt werden, gilt für motorisierten Verkehr Tempo 20, maximal Tempo 30.
  • Bis 2030 will die Stadtverwaltung das Konzept umsetzen.

Das Interview

Modelle wie in Barcelona oder Ljubljana (Ljubljana) zeigen, dass autofreie Innenstädte oder Stadtteile möglich sind. Was sind die genauen Ziele der autofreien Innenstadt?

Die Menschen merken: Wir müssen uns verändern. Die Klimakrise ist spürbar, gerade in den Städten. Aber auch andere Herausforderungen innerhalb der letzten Jahre wie die Pandemie  haben das Verhalten der Menschen, wie sie mobil sind und auch den Einzelhandel verändert , darauf wollen wir reagieren.

Die autofreie Innenstadt ist eine Gelegenheit für mehr Platz, mehr Grün, mehr Klimafreundlichkeit. Wir können die Chancen nutzen für Kunst und Kultur im öffentlichen Raum, für soziale Angebot und für den Sport und vieles weitere.

Wie ist der Zeitplan für die Änderungen?

Im Prinzip haben wir bereits vor zwei Jahren begonnen mit dem Innenstadtdialog und haben Experimentierräume auch in der Stadt implementiert. Jetzt gehts an die Konzeption. Mit dem Mobilitätskonzept haben wir nun den Rahmen dafür, wie sich das Ganze in den nächsten Jahren entwickeln wird. Natürlich wird man im Detail noch mal sprechen müssen über die Ausgestaltung; Ziel ist es jetzt peu à peu die Maßnahmen umzusetzen, einige sind ja auch schon am Start, z.B. die Schmiedestraße. Und wir werden das ganze hoffentlich bis 2030 in großen Teilen abgeschlossen haben.

Thema Stärkung des Einzelhandels: Wie bleibt es für Menschen aus dem Umland attraktiv, in die Innenstadt zu kommen und shoppen zu gehen?

Die Innenstadt ist ja wahnsinnig attraktiv (…). Wir müssen am Ball bleiben und uns weiter entwickeln. Gerade das Thema Mobilität hat die Chance, dass die Menschen mit dem Auto kommen, jedoch zielgenau in die Parkhäuser fahren und dort stressfrei einen Parkplatz finden und die Stadt genießen. Die Stadt wird dadurch auch besser. Wir haben die Möglichkeit, das Areal in der Altstadt und rund um die Oper und am Kulturdreieck zu nutzen. Gleichzeitig werden wir mit der Region zusammen das Thema „Park and Ride“ weiter ausbauen. 6000 Stellplätze gibt es schon und es sollen rund 3000 dazu kommen rund um Hannover. Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind und von weiter wegkommen werden auch weiterhin gut in die Stadt kommen.

Parkhäuser:  Ist das für alle noch erschwinglich?

Wir wollend die Erreichbarkeit sicher stellen. Schon heute ist es so, dass es keinen kostenfreien Parkraum in der Stadt gibt. Wichtig ist uns, dass wir Klarheit darüber haben, wie die Parkplätze zu finden sind. Wir werben aber natürlich gleichzeitig dafür, die kostengünstigeren Alternativen wie das Fahrrad zu nutzen oder das Angebot des ÖPNV. Die Nutzung der Autos ist nicht sozial, weil damit doch ganz viele Kosten verbunden sind (…). Die Alternative zum Auto ist immer die bessere.

Thema E-Ladesäulen. Wird es weiterhin die Möglichkeit der Nutzung geben?

Die E-Mobilität ist uns sehr wichtig und werden wir weiter mit der Enercity ausbauen. In den Parkhäusern können wir die Angebote weiter ausbauen.

Unzählige Arztpraxen, Büroflächen in der Innenstadt. Vor allem Arztpraxen: Wie bleiben diese erreichbar?

Die Erreichbarkeit zu den Gebäuden ist weiterhin gegeben, durch die Parkhäuser ist das Parken verlagert. Das Parken am Straßenrand soll rausgenommen werden. Mehr Erreichbarkeit, mehr Mobilität bei weniger Verkehr, gerade aber auch mehr Spielraum bei zum Beispiel Menschen mit Behinderungen. Wir können konzentrierter die Behindertenparkplätze ausweisen.

Als junge Frau durch die Innenstadt – ein wenig mulmig: Sind Sicherheitskonzepte geplant und dann beruhigtere Orte in der Innenstadt auf bewacht zu haben?

Das ist genau die Gelegenheit, die wir jetzt haben. Wenn wir über das Thema Mobilität reden, reden wir über viel mehr. Nämlich auch die soziale Fragestellung: Fühlen sich die Menschen in unserer Stadt wohl oder auch sicher. Gerade bei den bahnhofsnahen Plätzen haben wir zum Beispiel am Raschplatz schon damit begonnen, mehr Angebote zu schaffen. Ganz andere Personengruppen sind vor Ort und auch Kinder fangen dort wieder an zu spielen. Ich höre viel in meinem Umfeld, dass die Menschen diese Plätze wieder gerne besuchen und nutzen. Gleichzeitig muss man jedoch auch sagen, wir brauchen auch ein gutes Netz an sozialen Angeboten, eben auch für Menschen, die in bestimmten Herausforderungen sind. Dafür bauen wir weitere Strukturen aus und wir können auch mit baulichen Maßnahmen helfen.

Wird es im Zuge der Maßnahmen konkrete Sicherheitskonzepte geben?

Wir wollen die Aufenthaltsqualität durch Grünflächen und Wasser steigern, aber natürlich müssen wir auch als Großstadt sicherheitspolitisch gut aufgestellt sein. Dafür sind wir mit der Polizei immer am Austausch. Das funktionier bereits sehr gut und wird auch in Zukunft weiter ausgebaut.

Zum Ende hin: Welche Chancen sehen sie persönlich und worauf freuen sie sich am meisten?

Ich freue mich, dass wir endlich an einem Punkt sind, an dem es losgeht. Die Experimente sind abgeschlossen und es geht nun in die Umsetzung. Wie soll die Stadt der Zukunft aussehen? In den Detailplanungen bin ich sehr gespannt und freue mich über die Kreativität. Es herrscht eine hohe Erwartungshaltung an die eigene Stadt. Insofern: Kann es jetzt losgehen.

In der Beschluss-Drucksache „Mitte neu denken – das Innenstadtkonzept 2035“ wird die autofreie Innenstadt wie folgt beschrieben:

„Eine „autofreie Innenstadt“ ist offen und gut erreichbar für alle Menschen, jung oder alt, mit und ohne Mobilitätseinschränkungen. Sie ist offen für klimaverträgliche Mobilitätsformen, offen für Logistik und offen für notwendigen Kfz-Verkehr (z.B. gezielt zu den Parkhäusern oder privaten Grundstücken). Sie ist im besonderen Maße offen für neue Ideen und Freiräume sowie temporäre Nutzungen, die bereits in den vorhandenen oder teils umgestalteten Straßenräumen stattfinden. Sie ist auch offen für Veränderungen, die unabdingbar sind, sei es aufgrund des Klimawandels, der Digitalisierung oder gesellschaftlicher Veränderungen.“

Wir freuen uns sehr, euch exklusiv Eindrücke über die Entwicklungen unserer Stadt geben zu können und danken Belit Onay für das spannende Gespräch. Wir sind gespannt auf eure Meinungen und Kommentare und auf die weiteren Entwicklungen in Hannovers Innenstadt

post a comment